Zufall und Einfall
DGAE–Plattform#3:
Zufall und Einfall. Medien der Kreativität in Kunst und Wissenschaft
Workshop, Katholische Privatuniversität Linz, 9.-11. November 2023
Der Workshop wird von Aloisia Moser in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Philosophie und für Kunstwissenschaft der KU Linz und unter Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik organisiert und richtet sich in erster Linie an Nachwuchswissenschaftlerinnen.
Hauptvorträge: Lidia Gasperoni, Sibylle Krämer, Alva Noe, Hans-Jörg-Rheinberger, Monika Wagner
WIE ENTSTEHT ÜBERHAUPT NEUES?
In der Antwort auf diese Frage wurde der Kunst und der Wissenschaft gern diametral entgegengesetzte Positionen zugewiesen: Wissenschaftliche Innovation wurde zumeist als Ergebnis gezielter, planbarer Forschung angesehen, künstlerische Neuerung hingegen als das Resultat einer geniehaften Eingebung. Der Blick auf wissenschaftliche und künstlerische Praktiken verrät, wie falsch beide Vorstellungen sind. Ebenso wenig wie ästhetische Formgestaltung aus dem Nichts entsteht, lassen sich wissenschaftliche Tatsachen durch deduktive Verfahren allein erreichen. Zwischen Kunst und Wissenschaft spannt sich vielmehr ein experimentelles Feld auf, in dem das Aleatorische, Serendipität, aber auch materielle Veranlassungen eine weit größere Rolle besitzen als gedacht. Der Workshop fragt danach, welche Rolle medialen Auslösern bei der Verfertigung wissenschaftlicher wie ästhetischer Tatsachen zukommt. Mit medialen Auslösern sind sowohl die im Suchprozess teils zufällig entstehenden Ordnungen des Materials gemeint, deren spezifische Arrangements neue Problemlösungen suggerieren, aber auch das mediale Geschehen zwischen Aktiv und Passiv, wodurch sich die Suchenden etwas einfallen lassen, was sich bislang noch gar nicht denken ließ.
Dass dem Experimentieren mit Verfahren sowohl in der Kunst als auch in der Wissenschaft eine derart signifikante Bedeutung zukommt, legt den Schluss nahe, dass sich in beiden Bereichen das gewünschte Ergebnis oft nur indirekt und non-intentional einstellt. Gelungene Kunstwerke lassen sich ebenso wenig wie Einsichten erzwingen: Bestenfalls lassen sich die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Wahrscheinlichkeit ihres Sich-Ereignens steigt. Jede kreative Neugestaltung setzt voraus, dass es gelingt, die Dinge neu und anders zu sehen als bislang, doch das ist leichter gesagt als getan, verhindert doch gerade vielfach die aktive Suche danach, dass sich Einfälle bemerkbar machen. Der Workshop fragt nach dem Verhältnis von Suchen und Finden in kreativen Prozessen, von Linearität und Störung, Zweck und Absichtslosigkeit, aber auch danach, wie sehr der (ästhetische und wissenschaftliche) Geist nicht bereits in körperlichen und stofflichen Anordnungen liegt. Wie sehr sind begriffliche Synthesen lediglich Ausbuchstabierungen vorgängiger unbegrifflicher Synthesen im Material? Wie viele Ideen sind in Wirklichkeit zufallspflichtig? Was ergibt sich aus der Zusammenschau aleatorisch zustande gekommener Elemente? Inwieweit dürfen wir unsere Einfälle als unser eigen verbuchen und inwieweit sind sie vielmehr solches, was uns zufällt, oder gar über uns hereinbricht? Zwischen Aktiv und Passiv, Geist und Materie, explizitem und implizitem Wissen will der Workshop jenen medialen Auslösern Aufmerksamkeit schenken, ohne die es nicht zu den einschneidenden Wenden in unserer künstlerischen wie wissenschaftlichen Welterschließung gekommen wäre.
Programm
9. November
13:30 bis 14:00: Eröffnungsgrüße Aloisia Moser
Panel I Spielend zufallen…ahnend spielen
14:00 bis 18.55: Moderation Sibylle Trawöger
14:00 bis 15.30: Hauptvortrag 1, Sybille Krämer: „Das Spielerische, das Kombinatorische und die Kreativität der ‚Kulturtechnik der Verflachung‘“
15:45 bis 16:45: Sebastian Lederle: „Prekarität als Reflex und Reflexion von Kontingenz. Eine medienästhetische Perspektive auf die hergestellte Unabsehbarkeit von Erfahrung“
16:50 bis 17:50: Marie von Heyl: „Eupalinos oder das verworfene Objekt — Sublimierung als Kipppunkt zwischen Zufall und Einfall bei Paul Valéry und Gilles Deleuze“
17:55 bis 18:55: Emanuel Seitz, „Spürsinn. Wie Intuitionen ahnen“
10. November
9:30 bis 10:00: Kaffeebegrüßung
Panel II Sorgfältig und zufällig experimentieren I: Mediales Aufblitzen und Einfangen
10:00 bis 12.30: Moderation Aloisia Moser
Hauptvortrag 2, Lidia Gasperoni: „Medien der Effekte. Zur Performativität des Experimentellen“ muss leider wegen eines Jobinterviews abgesagt werden
10:00 bis 11:00: Dennis Jelonnek: „Der ‚Skogsnuvismus‘ und die Folgen – zur Anwendung des Zufalls im Werk von August Strindberg“
11:15 bis 12:15: Lotte Warnsholdt: „‘Niemand ist mein Name.‘ Erzählungen aus dem Archiv der Sorge“
12:30 bis 14.00: Lunch Bistro Frédéric (Kunstuni am Hauptplatz 6)
Panel III Wie materielle Konstellationen zufallen
14:00 bis 19:30: Moderation Monika Leisch-Kiesl
14:00 bis 15:30: Hauptvortrag 3, Monika Wagner: „Spachtel, Besen, Feuer. Zufallsgeneratoren in der modernen Kunst“
15.45 bis 16.30: Vernissage Beate Gatschelhofer „Die Aneignung des Zufalls“
16:35 bis 17:35: Anja Kraus/Mariana Vassileva: „Landscaping as an Artistic Strategy“
18:00 bis 19:30: Moderation Aloisia Moser
18:00 bis 19:30: Hauptvortrag 4, Alva Noë: „Die ästhetische Zwangslage“
Abendessen im Promenadenhof (Promenade 39)
11. November
9:00 bis 9:25: Kaffeebegrüßung
Panel IV Sorgfältig und zufällig experimentieren II: Was rauscht und was aufblitzt
9.25 bis 11.30: Moderation Sarah Kolb
9:25 bis 10:25: Hanako Geierhos: „encounter of randomness“
10:30 bis 11:30: Ania Mauruschat: „Radiophonie, Störung und Erkenntnis. Zur Epistemologie der Radiokunst in den Katastrophenhörspielen von Andreas Ammer und FM Einheit“
Hauptvortrag 5, Hans-Jörg Rheinberger:„Serendipität – Forschen und Finden“ muss leider wegen Krankheit abgesagt werden.
11:30 bis 12:00: Verabschiedung