Topographien des Reenactment
Workshop, DFG-Forschergruppe "Medien und Mimesis"
Akademie der Bildenden Künste München, E.O1.23 (Neubau), Akademiestraße 2-4, 80799 München
04.12.2015 bis 05.12.2015
Der Workshop Topographien des Reenactment möchte die spezifische Wiederholung des Reenactment als eine Form minderer Mimesis begreifen, also als eine Nachstellung, die besonders beflissen, pedantisch, akribisch, minutiös, literalistisch imitiert. Minder mimetisch wären die Strategien des Reenactment insofern, als sie nicht-schöpferisch sind, d.h. auf eine perfekte und authentische Reproduktion – eine wahrheitsgetreue Kopie – der Vergangenheit in der Gegenwart abzielen und damit eine Art historiographische Mimikry produzieren. Zugleich sind die Praktiken des Reenactment minder, insofern sie sich besonders als populärkulturelles Phänomen realisieren – also sowohl historiographisch als auch künstlerisch den „niederen“, kleinen, populären Genres angehören. Anschließend an diesen doppelt minderen Status möchte der Workshop die Untersuchung der Praktiken des Reenactment in einem Feld verorten, das sich zwischen dem naiven Realismus historistischer Happenings(Lütticken) und der Verbreitung nachstellender Formen in den Bereich künstlerischer Praktiken aufspannt.
Denn eine Topographie des Reenactment lässt sich gerade dann zeichnen, wenn dessen Praktiken den Bereich der Geschichtswissenschaft verlassen und andere, nicht-historische, künstlerische Felder – Film, Bildende Kunst, Literatur, Architektur und Darstellende Kunst – kolonisieren: Der Anspruch der künstlerisch rekodierten Reenactmentpraktiken scheint es zu sein, die Operationen des Historiographischen gleichsam zu hinterfragen und zu dekonstruieren, um so zugleich die spezifische Sensibilität der künstlerischen Bereiche für die Arbeit an der Ambiguität von Geschichte herauszustellen. Dabei scheint ein Gegensatz im Hintergrund zu stehen, nach dem historiographische Nachstellungen tatsächlich auf Authentizität und Immersion ausgelegt sind, während künstlerische Reenactments hingegen immer eine Variation, einen Irrtum oder eine falsche Note mitinszenieren, um derart eine kritische Distanz zum Dargestellten aufzurufen und zugleich zu zeigen, dass eine authentische – und damit unkünstlerische – Wiederholung unmöglich ist. Eine derart kalkulierte und kalkulierbare Abweichung in der Wiederholung gibt jedoch den literalistischen, kopistisch-reproduktiven und damit in unserem Sinne „minderen“ Einsatz des Reenactment preis. Der Workshop will daher fragen, wie eine genuin mindere Wiederholung in der künstlerischen Praxis denkbar wird – oder auch nicht – bzw. wie eine Abweichung in der Wiederholung zu denken sei, deren minderer Charakter sich gerade nicht im schöpferischen Surplus der Inszenierung anderer, besserer Wirklichkeiten auflöst.