Tragödie – Trauerspiel – Spektakel
Tagung im Rahmen des SFB „Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste“
Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin
16.12.2005 bis 17.12.2005
Tragödie – Trauerspiel – Spektakel
Tagung im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste“; Teilprojekt C1 (Ch. Menke, J. Rebentisch)
In Zusammenarbeit mit dem Graduiertenkolleg „Mediale Historiographien“,
Weimar/Erfurt und der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik
Termin: 16./17. Dezember 2005
Ort: Roter Salon, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
Das klassische Drama ist nur eine Möglichkeit des Theaters. Nicht nur aus der Perspektive des postdramatischen Theaters der Gegenwart, sondern auch durch die (dadurch bestätigte und befruchtete) Ansicht des antiken Theaters als eines prädramatischen oder a-dramatischen Theaters (Lehmann) erscheint das Drama als historisch spezifische und beschränkte Option; sie entsteht im 18. Jahrhundert in Auseinandersetzung mit der antiken Tragödie einerseits und dem barocken Trauerspiel andererseits. Diese – insbesondere für die deutsche Diskussion bestimmende – Konstellation bestimmt die Weise, in der erstmals die Dramentheorie der Romantiker im Ansatz das Trauerspiel begrifflich gegenüber der antiken Tragödie abgrenzt. Dabei ist das Trauerspiel nicht eine gegenüber der Tragödie andere Form des Theaters, es ist die als Theater gesehene, zum Theater gewordene Tragödie; die Tragödie, die sich ihrer Theatralität, ihres Spielcharakters oder, in anderer Terminologie, ihrer spezifischen Ästhetizität bewußt geworden ist.
Daß dieses Feld zunächst von Benjamins Ursprung des deutschen Trauerspiels und dessen Entgegensetzung von „Tragödie und Trauerspiel“ aus eröffnet worden ist, will die Tagung nicht leugnen. Aber es soll nicht zuletzt auch darum gehen, Benjamins Konzeption selbst zu befragen. Von daher rücken zwei Komplexe in den Blick, die bei Benjamin exemplarisch anfallen. Das betrifft zum einen die Entgegensetzung des Trauerspiels zur Tragödie, die bei Benjamin ganz im Zeichen seiner Kritik einer überhistorischen Kategorie des Tragischen steht (die gerade im ersten Drittel des 20 Jh. erneut Konjunktur hatte): Bereits Theorien wie die Hegels und Nietzsches haben ebenso wie die neuere Philologie der Tragödie die klassische Tragödie selbst in ihrer spezifischen formkonstitutiven Theatralität analysiert. – Es betrifft zum zweiten die Abgrenzung vom bloßen, vom „total“ gewordenen Spiel, die Benjamins Profilierung des Trauerspiels gegenüber der Tragödie auf dem Fuße folgt: Indem das Trauerspiel den Spielcharakter allen Theaters gegen die (Ideologie der) Tragödie hervortreten läßt, beschwört es zugleich das Gespenst der Herrschaft des Spektakels, der Theatrokratie herauf, gegen das die Theoretiker und Politiker der Tragödie sie bewahren wollten.
Tragödie, Trauerspiel, Spektakel sind daher vielleicht weniger drei (geschichtlich oder typologisch) unterschiedene Gestalten des Theaters als vielmehr drei Formen der Imagination und Konzeption des Theatralen und, darüber hinaus, des ästhetischen Spiels selbst; drei Formen, die sich ebenso dadurch unterscheiden, wie sie – nach innen – das Verhältnis von Gehalt und Spiel und wie sie – nach außen – die Wirkung des Spiels bestimmen. Mit Friedrich Balke, Rüdiger Campe, Jörn Etzold, Anselm Haverkamp, Hans-Thies Lehmann, Bettine Menke, Christoph Menke, Juliane Rebentisch, Armin Schäfer, Juliane Vogel, Sam Weber, David Wellbery, Jennifer Wise.